Auf dem Weg zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen

Deutschland braucht mehr Strom als seine Netze teilweise liefern können. Hier greift Paragraf 14a des EnWG. Was das Gesetz im Alltag bedeutet, hat Rechtsanwalt Dr. Michael Weise auf dem Janitza Expert-Talk erklärt.

19.06.2024

Auf dem Weg zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen

Drosselung von Ladesäulen oder gar Abschaltung von Wärmepumpen und elektrischen Speichern - was bedeutet Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) künftig im Alltag? Der Energierechtsexperte Dr. Michael Weise (Stuttgart) hat in seinem Vortrag auf dem Janitza® EXPERT TALK am 6. Juni 2024 in Lahnau Klarheit in einige Details des Gesetzes gebracht. 

Paragraf 14a des EnWG gilt seit dem 1. Januar 2024. Das Gesetz erlaubt und verpflichtet die Netzbetreiber, sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen in bestimmten Situationen zu dimmen. Der Netzbetreiber kann und soll also den Strombezug von Wärmepumpen, Speichern, Ladesäulen etc. mit einem netzwirksamen Leistungsbezug von mehr als 4,2 KWh einschränken. 

Diese Maßnahmen sollen die Überlastung der Niederspannungsnetze vermeiden, so Dr. Weise. Denn die Netze kommen durch drei gleichzeitige Transformationsprozesse in der Energiewirtschaft immer öfter an ihre Grenzen: die Energiewende, die Wärmewende und die Mobilitätswende, in deren Verlauf die Verbrennerfahrzeuge ersetzt werden sollen. „Jede Wende für sich ist schon so groß, dass sie kaum zu bewältigen ist. Jetzt kommen sie gleich zu dritt“, fasste Michael Weise die Situation zusammen. In der Summe bedeuten diese Prozesse einen massiven Anstieg an benötigter Energie. 

Die Lösung: Große Verbraucher werden bei drohender Überlastung des lokalen Netzes gedrosselt. Keinem Verbraucher wird der Strom also komplett abgeschaltet, Endnutzer erhalten 4,2 KWh garantierten Mindestbezug. „Das E-Auto wird also noch geladen, jedoch langsamer.“, so Michael Weise.  

Die technische Umsetzung ist offen 

Michael Weise erläuterte auch die Ausnahmen. Bestandsanlagen mit Inbetriebnahme vor dem 1. Januar 2024 ohne vereinbarte Steuerung bleiben beispielsweise von den Regelungen ausgenommen. Zudem gebe es Ausnahmen für Ladepunkte für Institutionen mit Sonderrechten, wie zum Beispiel bei Polizei und Feuerwehr. „Auch für Wärmepumpen und Klimaanlagen, die in kritischer Infrastruktur stehen, in Rechenzentren, Krankenhäusern, Laboren, sind Ausnahmen geschaffen.“, erklärte Michael Weise. 

Es ist noch weitgehend offen, wie die technische Umsetzung der Maßnahmen aussieht. „Bis zum Oktober 2024 sind Vorschläge zur technischen Realisation der Bundesnetzagentur vorzulegen.“, so Michael Weise. Es brauche Lösungen für eine Reihe von Eckpunkten bei der Integration der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen: 

  • Erarbeitung einer passende Netzzustandsermittlung, 
  • die technische Möglichkeit einer effektiven Reduzierung des netzwirksamen Leistungsbezugs im jeweiligen Netzbereich, 
  • Sicherstellung des sicheren Mindestbezug von 4,2 KWh,  
  • und die Umsetzung einer Direktansteuerung der Netze und Verbrauchseinrichtungen durch ein geeignetes Energiemanagement-Systems. 

Es gibt also noch viel zu tun, bis der Paragraf 14a in der Praxis umgesetzt werden kann. 

Dr. Michael Weise ist Partner bei Becker Büttner Held, eine der führenden Kanzleien für Energie- und Infrastrukturwirtschaft mit Sitz in München. Der Janitza® EXPERT TALK in Lahnau war der zweite Seminartag dieser Art in 2024. Janitza bietet die Talks außerdem in Osnabrück (11. Juni) und München an (17. September). Bei den Tagesveranstaltungen treffen interessierte Fachleute aus der Praxis auf Fachexperten, die tiefgreifende Einblicke in aktuelle Themen rund um Energieüberwachung und Netzqualität bieten. Der Fokus liegt auf einem lebendigen Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern sowie auf Fachvorträgen, die das neuste Wissen der Branche vermitteln.